Ich traue mich nicht Schluss zu machen – aus Angst vor Gewalt vor ihm
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„Hilfe! Ich lebe seit drei Jahren mit meinem Freund zusammen. Am Anfang war auch alles in Ordnung und ich habe ihn wirklich geliebt. Aber irgendwann find er an gewalttätig zu werden. Mittlerweile schlägt er mich bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit. Ich traue mich schon gar nichts mehr zu sagen. Ich muss diese Beziehung unbedingt so schnell wie möglich beenden und mir wieder ein eigenes Leben aufbauen. Aber wie soll ich das machen? Wenn ich ihm sage dass Schluss ist, befürchte ich gröbere Gewaltausbrüche. Davor habe ich Angst. Aber ein Leben mit ihm geht auch nicht mehr. Was soll ich nur tun?“
Lydia M., 29
So wie Lydia geht es in Deutschland Tausenden Frauen. Immer wieder berichten Betroffene von psychischer und physischer Gewalt seitens ihrer Ehemänner oder Freunde. Das perfide daran ist, dass derartige Gewaltausbrüche schleichend beginnen und seitens der betroffenen Frauen zunächst als Ausrutscher heruntergespielt werden. Die Männer tun ihr Übriges dazu, indem sie sich nach einem Gewaltausbruch entschuldigen und hoch und heilig schwören, dass das sicher nie mehr vorkommen wird. Doch der nächste Faustschlag lässt meist nicht lang auf sich warten. Die traurige Wahrheit ist: Männer die ihre Frauen schlagen, hören meist nie mehr damit auf!
Totale Kontrolle der betroffenen Frauen
Die Geschichten, die von den betroffenen erzählt werden, ähneln sich dabei in fast schon erschreckender Weise. Am Anfang sind die Männer aufmerksam und fürsorglich. Irgendwann beginnen sie mit unberechtigten Eifersuchtsszenen, die nicht selten in Gewalt ausarten. Meist werden auch die Freundinnen der Frauen schlecht gemacht und ein zukünftiger Umgang mit ihnen erschwert, was zu einer ersten Isolation der betroffenen Frauen sorgt. Irgendwann beginnt dann die totale Kontrolle: Handys werden überwacht, es wird nachspioniert sogar bis zum Arbeitsplatz. Bei geringsten „Vergehen“ rutscht schnell mal die Hand aus. Dabei gehen psychische und physische Gewalt Hand in Hand einher, zum Teil kommt es sogar zu Vergewaltigungen. Sehr häufig wird die betroffene Frau auch vor den Bekannten und Freunden des Mannes schlecht gemacht und als Hure usw. betitelt. Die betroffene Frau gerät so in einen Sog der Gewalt und verliert neben ihrem Freundeskreis auch total das eigene Selbstbewusstsein. Viele Frauen erzählen, dass sie ihren Job verloren und ab dann nur noch eingeschüchtert zuhause sassen und den Gewaltexzessen ihres Partners ausgesetzt waren.
Ein Teufelskreis
Es entsteht ein klassischer Teufelskreis. Wartet die Frau zu lange ab und hofft, dass sich der Mann irgendwann ändert, so ist das Selbstbewusstsein derart geschmälert, dass ein Ausweg aus der Beziehung schwierig wird. Denn zum Schluss machen braucht es Entscheidungskraft und Mut. Und genau daran scheitern die meisten Versuche, mit dem Partner Schluss zu machen.
Allerdings gibt es keine andere Lösung, als die Beziehung zu beenden. Ein Leben mit einem gewalttätigen Partner ist entwürdigend und langfristig sind Leib und Leben ernsthaft in Gefahr. Je eher solche Beziehungen beendet werden, desto einfacher. In der Praxis erkennen betroffene Frauen oft, dass es keinen anderen Ausweg gibt, als die Beziehung zu beenden. In der Umsetzung tun sich diese Frauen leider häufig schwer und kehren oft wieder zu ihrem Ex-Partner zurück, wenn dieser ihnen Besserung schwört. An dieser Stelle ist es wichtig, dass Sie nicht einknicken und den immer gleichen Besserungsversprechen Ihres Partners Glauben schenken. Bleiben Sie hart und bleiben Sie bei Ihrem Entschluss!
Wie die Beziehung beenden?
Dass die Beziehung beendet werden muss ist meistens schnell klar. Wie das jedoch am besten umzusetzen ist, dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt. Viele Männer reagieren auf die Beendigung der Beziehung zunächst weinerlich und schwören, dass sie sich ab jetzt ernsthaft bessern und ihrer Partnerin nie wieder etwas antun würden. Meist folgen hierauf umfangreiche Liebesschwüre, garniert mit Blumen und teuren Geschenken. Lassen Sie sich nicht täuschen. Denken Sie an die Schmerzen und Verletzungen, die er Ihnen in letzter Zeit angetan hat und ignorieren Sie sein Gejammer. Weisen Sie auch konsequent alle Geschenke zurück. Seien Sie dabei freundlich, aber bestimmt. Und lassen Sie sich nicht auf Diskussionen ein. Sie haben Ihre Entscheidung getroffen und basta! Das gibt es nichts mehr zu diskutieren.
Oft folgt nun der gewalttätige Teil. Hier müssen Sie mit äusserster Vorsicht vorgehen. Rechnen Sie mit dem Schlimmsten und seien Sie vorbereitet. Sie sollten niemals mit ihm allein sein, wenn Sie ihm das Ende der Beziehung erklären. Wählen Sie am besten einen öffentlichen Ort für das Gespräch oder holen Sie sich Unterstützung, die jederzeit eingreifen kann, falls es wieder zu Ausbrüchen kommt. Müssen sie mit besonders gewalttätigen Aktionen Ihres Partner rechnen, kann es auch ratsam sein, im Vorfeld die Polizei um Unterstützung zu bitten.
Handelt es sich um eine noch junge Beziehung und wohnen Sie auch noch nicht mit Ihrem Partner zusammen, dann können Sie ausnahmsweise auch mal per Brief oder Mail die Beziehung beenden. Am besten sagen Sie ihm, dass Sie nicht gut genug für ihn sind – das hat er Ihnen wahrscheinlich sowieso schon oft vorgeworfen. Dann können Sie eventuell die Wogen im Vorfeld etwas glätten. Sie müssen aber auch hier damit rechnen, dass er Ihnen irgendwann auflauert und es dann unangenehm wird. Seien Sie also vorsichtig und vermeiden Sie es, allein zu sein.
Und nach dem Ende der Beziehung
Machen Sie sich aber keine Illusionen: Ihr Ex-Partner wird Sie höchstwahrscheinlich auch nach beendeter Beziehung noch kontaktieren, eventuell sogar belästigen. Im harmlosesten Fall wird er Sie im Bekanntenkreis schlecht machen und Sie dort möglicherweise der Prostitution oder ähnlichem bezichtigen. Kümmern Sie sich nicht darum! Wichtig ist, dass Sie den Absprung geschafft haben und auf keinen Fall wieder zu ihm zurückgehen. Denn ändern wird er sich nie!
Und bleiben Sie auch noch Monaten nach der Beziehung auf der Hut vor ihm. Möglicherweise will er sich erst später an Ihnen rächen, wenn er das Gefühl hat, Sie rechnen nicht mehr mit seinem Auftauchen. Ziehen Sie am besten nicht alleine in eine Wohnung sondern gehen Sie in eine WG oder in eine Wohnung mit Familienangehörigen. Erst wenn Sie etwa ein Jahr lang nichts mehr von Ihrem Ex gehört haben, können Sie langsam aufatmen.
Hilfe holen
Falls Sie Probleme mit einem gewalttätigen Partner haben, können Sie sich jederzeit Hilfe von verschiedenen Stellen holen. Oft reicht es schon, wenn man mal jemandem seine Geschichte erzählen kann. Es tut gut, von einer neutralen Stelle zu hören, dass der gewalttätige Partner Ihnen Unrecht antut und seine Argumente völlig unsinnig sind. Für das eigene Selbstbewusstsein ist ein solches Gespräch immer sinnvoll.
Aber auch falls Sie Anzeige erstatten wollen, können Sie von verschiedenen Stellen Unterstützung bekommen. Im Extremfall, wenn die Gewalt ausufert, können Sie sich auch mit einem Rückzug ins Frauenhaus retten und wieder zur Ruhe kommen. Besonders wenn Kinder mit im Spiel sind, sollten Sie diesen Schritt schnell in Erwägung ziehen.
Generell bietet der weisse Ring Opfern von Gewalt umfangreichee Hilfe und Unterstützung an. Das geht vom Sorgentelefon über Beratung beim weiteren Vorgehen bis zu Unterstützung bei Behördengängen:
Weisser Ring Deutschland: Opfertelefon 116 006
Weisser Ring Österreich: Opfertelefon 0810 955 065
Weisser Ring Schweiz: Opfertelefon 044 422 65 62
Ausserdem gibt es noch das Sorgentelefon für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden:
Deutschland: 08000 116016
Österreich: 0800/222 555
Schweiz: 143
Zögern Sie nicht! Besser einmal zuviel angerufen als dass es dann zu spät ist! Oft hilft schon ein klärendes Gespräch. Oft hilft es auch, wenn einem mal jemand sagt, dass das, was der Partner tut, nicht rechtens ist. Das baut das Selbstbewusstsein wieder auf und darauf lässt sich schon viel besser aufbauen. Wir wünschen Ihnen viel Kraft und Mut!
Haben auch Sie sich von Ihrem gewalttätigen Partner getrennt? Oder kennen Sie aus Ihrem Bekanntenkreis solche Geschichten? Diskutieren Sie mit uns!